Expressionismus
trifft Moderne

Ein Raumwunder mit einem Tragwerk aus Stahl

Das Gebäude der ehemalige Oberpostdirektion gehört zu den Hauptwerken des Berliner Expressionismus. Es ist ein Gesamtkunstwerk – so wie andere Vertreter des expressionistischen Baustils: Es fällt auf. Es ist Blickfang. Es eckt an, es gefällt. Wie das Chilehaus in Hamburg, das Hoechst-Gebäude in Frankfurt, das Ullsteinhaus in Berlin Tempelhof.

Eindrucksvolle graphische Effekte an den Wandflächen, prägnante rotbraune Terrakotta-formsteine an der Fassade, zwei Annexe und der polygone Turm – das denkmalgeschützte Dienst-gebäude bedient sich aus dem Werkzeugkasten des Expressionismus und führt ihn weiter in die Moderne. Das Spiel mit Geometrie, mit Dekorativem mit detailverliebter Funktionalität: Die äußeren Wände des 1928 eingeweihten Bürohauses sind gemauert, innen aber sorgt ein Tragwerk aus Stahl für maximale Variabilität bei der Raumgestaltung: Offenheit, Licht, Flexibilität – auch heute die wichtigsten Voraussetzung für die Planung moderner Office Spaces.

Architektonisches Highlight unter anderem ist das fünfgeschossige Haupttreppenhaus an der Dernburgstraße mit seinen achtzehn Meter hohen kreisförmig angeordneten Pfeilern, die mit Fliesen verkleidet sind. Beim Bau der Oberpostdirektion wurde nicht gekleckert, hier wurde geklotzt. Es ist mehr als ein Haus, es ist eine Burg. Eine Festung, die auf 100 Jahre Berliner Geschichte zurückblickt. Unverwüstlich, zeitlos, bereit für die nächsten 100 Jahre.

Von 1948 bis 1971 befand sich im
Gebäude das Postscheckamt Berlin West, letzter Mieter war die Deutsche Telekom.

DAS RENOMMIER-PROJEKT
VON OBERPOSTBAURAT
WILLY HOFFMANN

Willy Hoffmann (1878-1977) war erfolgreich. Vom einfachen Architekturstudenten an der Technischen Hochschule in Charlottenburg brachte er es im Laufe seines Berufslebens vom Postbauingenieur, zum Postbaurat bis zum Oberpostbaurat. Eine steile Karriere im Deutschland der 20er und 30er Jahre. Viele der von ihm entworfenen Gebäude, wie die Oberpostdirektion in Berlin Charlottenburg, stehen heute unter Denkmalschutz. Bei dem im Stil des Expressionismus errichteten Gebäude ist das innere Tragwerk als Stahlskelett ausgeführt – der Zeit einen Schritt voraus sorgte diese Bauweise für mehr Freiheit bei der Raumgestaltung. Schließlich musste Willy Hoffmann Büroräume für mindestens 1000 Mitarbeiter bereitstellen, dazu Sitzungssäle, einen Festsaal sowie eine Kantine.

Der imposante Gebäudekomplex, ein Renommier-Projekt des gebürtigen Hallensers, wurde 1925-1928 auf einem 15.485 Quadratmeter großen Grundstück errichtet. Ziel der Reichspost war es, für die zentrale Postverwaltung einen Neubau zu errichten, denn der Betrieb der OPD war inzwischen auf zwanzig verschiedene Stellen in Berlin verteilt. Bedingt durch die Inflation von 1923 verzögerte sich der Baubeginn um drei Jahre, so dass die festliche Einweihung erst im Mai 1928 stattfand.